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Schöpfungsgeschichte der germanischen Mythologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 9. März 2025, 10:12 Uhr

Die Schöpfungsgeschichte der germanischen Mythologie beschreibt die Entstehung der Welt und der Götter in den Mythen der germanischen Völker. Sie ist ein zentraler Bestandteil der nordischen Mythologie, die ihre ausführlichste Ausprägung in der altnordischen Literatur findet, insbesondere in den Texten der „Edda“, die im 13. Jahrhundert von Snorri Sturluson aufgezeichnet wurde. Die germanischen Völker hatten jedoch bereits vor der Christianisierung mündliche Überlieferungen, die sich mit den Ursprüngen der Welt, der Menschen und der Götter beschäftigten. Diese Mythen spiegeln den Glauben an die zyklische Natur der Welt wider, in der Schöpfung, Zerstörung und Erneuerung sich unaufhörlich wiederholen.

Urwelt: Ginnungagap und die Entstehung der ersten Wesen

Am Anfang der Schöpfungsgeschichte steht das Nichts, das als „Ginnungagap“ bezeichnet wird. Ginnungagap ist ein leeres, ungeformtes Chaos, das sich zwischen zwei Extremen erstreckt. Im Süden liegt das Reich Muspellsheim, eine Welt aus Feuer, Hitze und Licht, während im Norden Niflheim liegt, ein eisiges und dunkles Reich des Frosts und der Kälte. Die heiße Luft Muspellsheims und die kalte Luft Niflheims trafen im Ginnungagap aufeinander und erzeugten einen Schmelzprozess. Aus diesem ersten Funken des Lebens entstand der Urriese Ymir. Ymir, der als erstes Lebewesen gilt, verkörpert die Urmaterie und den Ursprung der späteren Götter- und Menschenwelt.

Ymir nährte sich von der Milch der Kuh Audhumbla, die ebenfalls aus dem Eis des Ginnungagap hervorging. Audhumbla leckte das salzige Eis und formte auf diese Weise ein weiteres Wesen, den ersten Gott Buri. Buri zeugte einen Sohn namens Bor, der später Beständigkeit in das Chaos der Welt bringen sollte. Bor vermählte sich mit der Riesin Bestla, und aus dieser Verbindung gingen drei Söhne hervor: Odin, Vili und Vé. Diese drei Brüder spielen eine zentrale Rolle in der weiteren Erschaffung der Welt.

Erschaffung der Welt aus Ymirs Körper

Odin, Vili und Vé erkannten, dass Ymir, der Urriese, getötet werden musste, um Ordnung in das Chaos der Schöpfung zu bringen. In einem gewaltigen Kampf töteten sie Ymir, und aus seinem Körper formten sie die Welt. Ymirs Blut bildete die Meere und Flüsse, sein Fleisch die Erde, seine Knochen die Berge, und aus seinem Schädel formten die Götter das Himmelsgewölbe. Der Himmel wurde von vier Zwergen – Norðri, Suðri, Austri und Vestri – getragen, die die Himmelsrichtungen symbolisieren.

Aus Ymirs Hirn schufen sie die Wolken, und seine Haare wurden zu den Bäumen und Pflanzen der Welt. Die Götter gestalteten die Erde in mehreren Ebenen, von denen die mittlere, Midgard, der Wohnort der Menschen wurde. Diese Welt wurde von einer riesigen Schlange, der Midgardschlange, umringt, die in den Tiefen des Ozeans lebt. Über Midgard liegt Asgard, die Welt der Götter, die über eine Regenbogenbrücke namens Bifröst mit der Menschenwelt verbunden ist. Unter Midgard liegt die Unterwelt, Niflheim, das Reich der Toten.

Erschaffung der ersten Menschen

Nachdem die Welt geformt war, widmeten sich Odin, Vili und Vé der Schöpfung der ersten Menschen. An einem Strand fanden sie zwei Baumstämme, aus denen sie das erste Menschenpaar formten. Odin gab ihnen den Lebensatem, Vili schenkte ihnen Verstand und Gefühle, und Vé gab ihnen Sprache und Sinne. So entstanden Ask und Embla, die ersten Menschen der germanischen Mythologie. Ask und Embla wurden in Midgard angesiedelt, wo sie die Aufgabe erhielten, die Menschheit zu gründen. Aus ihnen entstanden die späteren Generationen der Menschen, die Midgard bewohnen.

Die Schöpfung der Menschen stellt ein entscheidendes Moment in der germanischen Mythologie dar, denn sie verdeutlicht die enge Verbindung zwischen Göttern und Menschen. Die Götter, insbesondere Odin, der als oberster Gott und Schöpfer des Lebens gilt, hatten ein großes Interesse an der Welt der Menschen und griffen oft in deren Geschicke ein.

Ordnung der Welt und die kosmische Struktur

In der germanischen Mythologie ist die Welt als riesige Esche, Yggdrasil, dargestellt, die das gesamte Universum umfasst. Yggdrasil verbindet die verschiedenen Ebenen der Existenz miteinander: Asgard, die Welt der Götter, Midgard, die Welt der Menschen, und Niflheim, die Welt der Toten. Die Esche Yggdrasil steht im Zentrum des Kosmos und ist das Symbol für die Ordnung und Beständigkeit des Universums.

An den Wurzeln von Yggdrasil liegen verschiedene Quellen, darunter die Quelle des Wissens, Mimir, und der Brunnen Urd, der für das Schicksal steht. Die Nornen, drei Schicksalsgöttinnen, bewachen den Brunnen und bestimmen das Schicksal aller Lebewesen. Sie spinnen die Fäden des Lebens und verkünden den Tod.

Die Götter versammeln sich regelmäßig unter Yggdrasil, um wichtige Entscheidungen zu treffen und das Schicksal der Welt zu lenken. Die Esche Yggdrasil ist jedoch nicht unverwundbar. Sie wird ständig von verschiedenen Wesen bedroht, darunter der Drache Nidhöggr, der an ihren Wurzeln nagt, und die Eichhörnchen Ratatoskr, das Zwietracht zwischen den Welten säht, indem es Nachrichten von einem Ende der Esche zum anderen überbringt.

Ragnarök: Zerstörung und Erneuerung der Welt

Die Schöpfungsgeschichte der germanischen Mythologie ist untrennbar mit der Vorstellung vom Ende der Welt verbunden, das als „Ragnarök“ bezeichnet wird. Ragnarök ist die prophezeite Zerstörung der Götter und der Welt, bei der es zu einem letzten großen Kampf zwischen den Mächten des Chaos und der Ordnung kommt. Dieses Ende der Welt wird jedoch auch als Neuanfang verstanden, denn nach der Zerstörung folgt die Erneuerung der Welt.

Während Ragnarök ziehen die Feinde der Götter, angeführt von Loki und seinen Nachkommen, gegen Asgard und Midgard in die Schlacht. Viele der Götter, darunter Odin, Thor und Freyr, werden im Kampf sterben. Die Welt wird in Flammen aufgehen und im Meer versinken. Doch nach dieser Katastrophe wird die Erde wieder aus den Fluten auftauchen, grün und fruchtbar. Einige der Götter und Menschen werden überleben, und eine neue, gereinigte Welt wird entstehen. Zwei Menschen, Líf und Lífthrasir, werden sich in den Überresten von Yggdrasil verstecken und die Menschheit nach Ragnarök neu begründen.

Bedeutung der Schöpfungsgeschichte in der germanischen Kultur

Die Schöpfungsgeschichte der germanischen Mythologie war nicht nur ein religiöser Mythos, sondern prägte auch das Weltbild der germanischen Völker. Sie spiegelt die zyklische Natur des Lebens wider, in der Geburt, Tod und Wiedergeburt eng miteinander verknüpft sind. Die Vorstellung einer Welt, die aus dem Chaos entsteht und schließlich im Chaos endet, war zentral für das Verständnis der germanischen Kosmologie.

Die Götter waren nicht allmächtig oder unsterblich, sondern Teil eines größeren kosmischen Kreislaufs. Sie waren den Naturgewalten unterworfen und mussten sich immer wieder gegen die Kräfte des Chaos behaupten. Gleichzeitig spielten sie eine aktive Rolle in der Gestaltung und Erhaltung der Welt, insbesondere Odin, der als weiser und vorausschauender Herrscher der Götter eine zentrale Rolle in der Erschaffung und dem Schutz der Menschen spielte.

Die Schöpfungsgeschichte diente auch dazu, die Rolle der Menschen im Universum zu erklären. Die Menschen waren keine passiven Zuschauer, sondern wurden von den Göttern erschaffen, um die Welt zu bewohnen und zu gestalten. Ihr Schicksal war eng mit dem der Götter verbunden, und ihre Handlungen konnten das Gleichgewicht der Welt beeinflussen.

Gesamtbetrachtung

Die Schöpfungsgeschichte der germanischen Mythologie erzählt von der Entstehung der Welt aus dem Chaos, der Erschaffung der ersten Wesen und der fortlaufenden Ordnung des Universums durch die Götter. Sie ist ein Ausdruck der germanischen Vorstellung von der zyklischen Natur der Existenz, in der Schöpfung und Zerstörung eng miteinander verbunden sind. Trotz der Zerstörung der Welt im Ragnarök bleibt die Hoffnung auf eine erneute Schöpfung und einen Neubeginn, was das Fundament für ein Weltbild bildet, das sowohl die Vergänglichkeit als auch die Erneuerung des Lebens anerkennt.

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