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Übergang von den Germanen zu den Deutschen

Aus Germanologie

Der Übergang von den Germanen zu den Deutschen beschreibt einen langen historischen Prozess, der vom Untergang des Weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert bis zur Herausbildung des deutschen Nationalbewusstseins im Mittelalter reicht. Die Entwicklung ist geprägt durch ethnische, sprachliche, kulturelle und politische Veränderungen, die letztlich zur Entstehung des deutschen Volkes führten.

Germanen in der Spätantike

In der Spätantike, etwa zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert, waren die Germanen ein Sammelbegriff für verschiedene, überwiegend im heutigen Mitteleuropa lebende Völker. Dazu gehörten u. a. die Franken, Alemannen, Sachsen, Goten, Langobarden und Vandalen. Diese Völker hatten keine einheitliche politische Struktur, sondern bestanden aus Stammesverbänden, die eigene Fürsten und Kriegerelite entwickelten.

Die Germanen standen lange Zeit in einem teils kriegerischen, teils friedlichen Kontakt mit dem Römischen Reich. Viele germanische Söldner dienten in der römischen Armee, und die germanische Kultur nahm zunehmend römische Einflüsse auf. Der Begriff „Germane“ war in dieser Zeit noch kein ethnischer Begriff im modernen Sinne, sondern wurde von den Römern benutzt, um die Völker nördlich ihrer Grenzen zu beschreiben.

Völkerwanderung und der Untergang des Weströmischen Reiches

Die sogenannte Völkerwanderung (ca. 375 bis 568) gilt als entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Germanen. Durch den Einfall der Hunnen und anderer nomadischer Stämme wurden germanische Stämme in Bewegung gesetzt, die sich teilweise im Weströmischen Reich niederließen oder dieses sogar eroberten. Ein bekanntes Beispiel ist das Frankenreich, das aus einem Zusammenschluss verschiedener germanischer Stämme hervorging und 486 unter Chlodwig I. das letzte römische Herrschaftsgebiet in Gallien besiegte.

Mit dem Ende des Weströmischen Reiches im Jahr 476 durch die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus durch den germanischen Heerführer Odoaker begannen germanische Herrscher, die Kontrolle über ehemals römische Territorien zu übernehmen. In dieser Phase entstanden sogenannte „Barbarenreiche“, zu denen das Frankenreich, das Reich der Ostgoten in Italien und das Reich der Westgoten in Spanien zählten.

Franken und die Entstehung des Frankenreiches

Eine der bedeutendsten germanischen Gruppen im Übergang von der Antike zum Mittelalter waren die Franken. Im 6. Jahrhundert vereinigte Chlodwig I. die fränkischen Stämme und konvertierte zum Christentum. Die Christianisierung der Franken sowie deren politische und militärische Erfolge legten die Grundlage für das spätere Frankenreich, das im 8. und 9. Jahrhundert unter der Herrschaft der Karolinger zu einer der mächtigsten Reiche Europas aufstieg.

Die Franken hatten eine Schlüsselrolle bei der Transformation der germanischen Stämme hin zu einem mittelalterlichen Königreich. Ihr Reich breitete sich weit über das Gebiet der heutigen Benelux-Staaten, Frankreichs und Deutschlands aus und brachte die politischen und kulturellen Grundlagen für die spätere Entstehung des Heiligen Römischen Reiches.

Vom Frankenreich zum ostfränkischen Reich

Die Teilung des Frankenreiches durch den Vertrag von Verdun 843 in drei Teile markierte einen weiteren entscheidenden Schritt in der Entstehung des deutschen Volkes. Der östliche Teil, das Ostfränkische Reich, umfasste das Gebiet des heutigen Deutschlands und Österreichs. Unter der Herrschaft der Ottonen (919 bis 1024) entwickelte sich dieses Reich zunehmend zu einer eigenständigen politischen Einheit.

Während das Westfränkische Reich die Grundlage für das spätere Frankreich bildete, etablierte sich im Ostfränkischen Reich eine Herrschaftsstruktur, die zunehmend auf eine eigenständige deutsche Identität hinauslief. Die Franken und andere germanische Stämme, die in diesem Gebiet lebten, vermischten sich ethnisch und kulturell und bildeten die Vorläufer der heutigen Deutschen.

Heiliges Römisches Reich und die Entstehung des deutschen Volkes

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation, das 962 unter Otto I. formal gegründet wurde, stellt einen weiteren wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Bildung des deutschen Volkes dar. Obwohl das Reich selbst ein Vielvölkerstaat war, in dem neben den Deutschen auch Slawen, Italiener und andere Völker lebten, bildete sich im Laufe der Jahrhunderte ein starkes deutsches Bewusstsein heraus.

Die Bezeichnung „Deutsche“ wurde erstmals im 10. Jahrhundert verwendet, als sich der Begriff „diutisk“ als Sammelbegriff für die verschiedenen westgermanischen Dialekte entwickelte, die sie in den östlichen Teilen des ehemaligen Frankenreichs sprachen. Das deutsche Volk war also nicht das Produkt einer plötzlichen ethnischen oder kulturellen Transformation, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem sich verschiedene germanische Gruppen zusammenschlossen und eine gemeinsame Sprache und Kultur entwickelten.

Bedeutung der Sprache

Die Entwicklung der deutschen Sprache spielte eine zentrale Rolle bei der Bildung der deutschen Identität. Während die germanischen Stämme ursprünglich unterschiedliche Dialekte sprachen, entstand im Laufe der Zeit eine gemeinsame Sprache, die als Althochdeutsch bezeichnet wird. Diese Sprache entwickelte sich im Frühmittelalter weiter und führte schließlich zur Entstehung des Mittelhochdeutschen.

Die Sprachentwicklung war eng mit der Entstehung eines kulturellen Selbstbewusstseins verbunden. Insbesondere durch die Übersetzung der Bibel und anderer religiöser Texte ins Deutsche trug die Kirche zur Verbreitung der Sprache bei. Die Verwendung des Deutschen in Schrift und Liturgie stärkte das Bewusstsein für eine eigene kulturelle Identität.

Zusammenfassung

Der Übergang von den Germanen zu den Deutschen war ein langer und komplexer Prozess, der viele Jahrhunderte umfasste. Ethnische Vermischungen, politische Entwicklungen und sprachliche Vereinheitlichung spielten dabei zentrale Rollen. Die Germanen, die ursprünglich als lose verbundene Stammesgruppen bekannt waren, entwickelten sich allmählich zu einem Volk, das eine gemeinsame Sprache, Kultur und schließlich ein Nationalbewusstsein teilte. Das Heilige Römische Reich und die Rolle der Kirche waren dabei von entscheidender Bedeutung für die Herausbildung einer deutschen Identität.

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