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Missbrauch der Germanen durch den Nationalsozialismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 18. März 2025, 17:46 Uhr

Der Missbrauch der Germanen durch den Nationalsozialismus bezieht sich auf die ideologische und propagandistische Instrumentalisierung der germanischen Völker durch das nationalsozialistische Regime in Deutschland von 1933 bis 1945. Die Nationalsozialisten nutzten die Germanen als mythologische Grundlage, um ihre rassistischen und antisemitischen Weltanschauungen zu legitimieren. Historische Fakten wurden dabei verfälscht und umgedeutet, um die Germanen als „arische Urväter“ zu verklären und die eigene Herrschaftsideologie zu untermauern.

Germanen in der nationalsozialistischen Ideologie

In der nationalsozialistischen Ideologie spielten die Germanen eine zentrale Rolle. Sie wurden als „arische Rasse“ glorifiziert, die den Ursprung der überlegenen nordischen Völker darstelle. Dieser Mythos der Überlegenheit der „germanischen Rasse“ diente als ideologische Grundlage für die rassistische Politik des Nationalsozialismus, die das Ziel verfolgte, die sogenannte „nordische Rasse“ in ihrer vermeintlichen Reinheit zu erhalten und andere Ethnien als minderwertig darzustellen. Adolf Hitler und führende NS-Ideologen wie Heinrich Himmler und Alfred Rosenberg bezogen sich wiederholt auf die Germanen, um die rassischen und politischen Ziele des Regimes zu rechtfertigen. In Schriften wie Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ wurde die vermeintliche Überlegenheit der Germanen als Teil der nationalsozialistischen Weltanschauung gefestigt.

Die Germanen wurden dabei nicht nur als kriegerische Eroberer stilisiert, sondern auch als Hüter eines „reinen Blutes“, das es gegen äußere Einflüsse zu schützen galt. Diese Idealisierung wurde in die Rassenlehre des NS-Regimes eingebettet und diente als Legitimation für die brutale Unterdrückung und Vernichtung von Bevölkerungsgruppen, die als „nicht-arisch“ oder „rassisch minderwertig“ angesehen wurden. Historisch komplexe Zusammenhänge und kulturelle Vielfalt der germanischen Stämme wurden bewusst ignoriert oder verzerrt, um das Bild einer homogenen und „überlegenen“ arischen Volksgemeinschaft zu schaffen.

Himmlers SS und die Germanenkult-Ideologie

Besondere Bedeutung hatte der Germanenkult innerhalb der SS, der paramilitärischen Eliteorganisation des Nationalsozialismus. Heinrich Himmler, der Reichsführer-SS, war ein überzeugter Verfechter einer idealisierten Vorstellung von den Germanen und förderte archäologische und pseudowissenschaftliche Forschungen, um vermeintliche germanische Kultstätten und Artefakte zu entdecken. Diese Aktivitäten sollten den Anspruch der Nationalsozialisten auf eine direkte Nachfolge der germanischen „arischen“ Kultur und ihre historische Mission unterstreichen.

Himmler betrieb eine regelrechte „Mythologisierung“ der Germanen, die über den reinen Rassismus hinausging und eine quasireligiöse Dimension annahm. So glaubte er, dass die SS als eine Art Wiedergeburt der alten germanischen Kriegergemeinschaft fungiere und eine mystische Verbindung zu den „alten arischen Göttern“ aufbaue. Diese esoterischen Vorstellungen fanden ihren Ausdruck in Ritualen und Symbolen der SS, wie etwa der Runenverwendung, die angeblich auf germanische Traditionen zurückgehen sollten. Tatsächlich wurden diese Symbole jedoch oft verfälscht und aus ihrem historischen Kontext gerissen, um sie für die Ideologie der SS nutzbar zu machen.

Missbrauch der Geschichte und Wissenschaft

Ein weiteres zentrales Element des nationalsozialistischen Missbrauchs der Germanen war die Verfälschung historischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Archäologische Funde und Quellen, die die germanische Kultur betrafen, wurden in propagandistischer Weise interpretiert, um die nationalsozialistische Ideologie zu stützen. Die Archäologie wurde somit zu einem Instrument der NS-Propaganda. Archäologische Grabungen, wie die in Haithabu oder bei der Externsteine, wurden von der SS finanziell gefördert und als „Beweise“ für die germanische Überlegenheit inszeniert.

Wissenschaftler, die sich weigerten, ihre Forschungsergebnisse den ideologischen Vorgaben der Nationalsozialisten anzupassen, wurden marginalisiert oder verfolgt. So geriet die Geschichtswissenschaft im NS-Staat zunehmend unter den Einfluss der SS und ihrer Organisation „Ahnenerbe“, die pseudowissenschaftliche Theorien über die Ursprünge der „arischen Rasse“ verbreitete. Diese Theorien hatten jedoch kaum Bezug zur tatsächlichen historischen Realität der Germanen, deren Stämme eine kulturell und ethnisch heterogene Gruppe bildeten, die weder eine „reine Rasse“ noch ein politisch geeintes Volk darstellte.

Folgen des Missbrauchs nach 1945

Der Missbrauch der Germanen durch den Nationalsozialismus hatte weitreichende Folgen für die Geschichtswissenschaft und die Wahrnehmung der germanischen Geschichte nach 1945. In der Nachkriegszeit war die Germanenforschung in Deutschland stark belastet, da sie durch den ideologischen Missbrauch diskreditiert worden war. Viele Historiker und Archäologen mussten sich in den folgenden Jahrzehnten intensiv darum bemühen, die wissenschaftliche Erforschung der Germanen von der nationalsozialistischen Vereinnahmung zu befreien. Dabei galt es, die tatsächlichen historischen Verhältnisse der germanischen Stämme differenziert darzustellen und die Verfälschungen und Mythen, die das NS-Regime geschaffen hatte, zu widerlegen.

In der deutschen Geschichtswissenschaft setzte nach 1945 ein kritisch-reflektierter Umgang mit der eigenen Vergangenheit ein. Der Begriff „Germanentum“ wurde zunehmend als belastet angesehen, und die Forschung bemühte sich darum, die Vielfalt und Komplexität der germanischen Kulturen, ihre Interaktionen mit anderen Völkern und ihre tatsächliche historische Bedeutung jenseits nationalistischer Mythen zu erarbeiten. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in der populären Kultur wurde der Germanenkult des Nationalsozialismus zunehmend dekonstruiert und als Instrument totalitärer Herrschaft erkannt.

Schlussfolgerung

Der Missbrauch der Germanen durch den Nationalsozialismus stellt ein eindrucksvolles Beispiel dafür dar, wie historische Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse für ideologische Zwecke verfälscht werden können. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Germanen, um ihre rassistischen und expansionistischen Ziele zu rechtfertigen, und prägten damit das Bild dieser historischen Völker nachhaltig in der deutschen Gesellschaft. Erst nach 1945 konnte die Germanenforschung beginnen, sich von dieser Vereinnahmung zu lösen und die historischen Realitäten differenziert darzustellen.

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